Problematik

Hunde wurden im Verlauf der Domestikation nach den Bedürfnissen der Menschen geformt, so dass sie sich in vielen Merkmalen von ihren wilden Vorfahren unterscheiden. Sie werden früher im Leben geschlechtsreif, bleiben jedoch in ihrem Verhalten lange "jugendlich", das heißt sie lassen sich von Menschen erziehen und ordnen sich unter. Wir haben ihnen die den Wölfen eigene Vorsicht ab - und viele körperliche Merkmale angezüchtet, die sie von ihrer Stammform unterscheiden. Viele dieser Merkmale reduzieren die Überlebensfähigkeit von Hunden in der freien Natur. Das Eindringen von Hundegenen in den Genpool einer Wolfspopulation kann daher nachteilige Auswirkungen auf diese haben. Je kleiner die betroffene Population ist, desto stärker kann dieser nachteilige Effekt auch bei seltenen Einkreuzungen zum Tragen kommen.

Weil Wolf-Hund-Hybriden (kurz Hybriden) weniger gut an ein Leben in freier Natur angepasst sind als Wölfe und auch die wolfstypische Vorsicht bei ihnen unter Umständen geringer ausgeprägt sein kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie häufiger in Konflikt mit dem Menschen geraten höher als bei Wölfen. So ist es denkbar, dass Hybriden vermehrt Übergriffe auf Nutztiere verüben oder, dass sie häufiger in Siedlungsnähe gesehen werden als Wölfe. Dies muss nicht so sein, ist aber möglich und ruft bei vielen Menschen Ängste hervor. Hinweise darauf, dass wildlebende Hybriden für den Menschen gefährlicher sind als Wölfe, gibt es jedoch nicht (L. Boitani, pers. Mittl.).

Rechtlicher Status von Hybriden

Hybriden in den ersten vier Generationen unterliegen dem gleichen Schutzstatus wie Wölfe. Dies ergibt sich aus Verordnung (EG) Nr. 1497/2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 338/97 der Kommission des Rates über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels. Dort heißt es unter Punkt 10 der Erläuterungen zur Auslegung der Anhänge:

Hybride Tiere, bei denen in den vier vorhergehenden Generationen in direkter Linie ein oder mehrere Exemplare einer Art der Anhänge A oder B vorkommen, fallen wie reine Arten unter die Verordnung, auch wenn die betreffende Hybridart nicht ausdrücklich in den Anhängen aufgeführt ist.

Der Wolf ist im Anhang A der o.g. Verordnung aufgeführt und damit gem. § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG eine streng geschützte Art. Daraus ergibt sich, dass auch Hybriden dem Artenschutz unterliegen.

Hybriden dürfen demnach im Rahmen der Jagdausübung nicht wie Hunde geschossen werden. Für ihr Entfernen aus der Natur bedarf es einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Dies ist aus Artenschutzsicht ausdrücklich zu begrüßen, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass Wölfe als vermeintliche Hybriden geschossen werden.

Internationale Empfehlungen

Aus Sicht des internationalen Artenschutzes sind Hybridisierungen zwischen Wildtierarten und ihren domestizierten Formen, in diesem Fall Wölfen und Haushunden, eindeutig unerwünscht und sollen unter allen Umständen vermieden werden. Wenn es bereits zu Hybridisierungen gekommen ist, gilt es daher, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine weitere Ausbreitung von Haushundgenen in der Wolfspopulation zu verhindern. Vorhandene Hybriden sollten so schnell wie möglich aus der Natur entnommen werden.

Im Manifest zum Schutz der Wölfe, herausgegeben von der Wolf Specialist Group der Species Survival Commission der IUCN und im LCIE Manifest "Manifesto for large carnivore conservation in Europe", wird Hybridisierung zwischen Wölfen und Hunden klar abgelehnt und auf Grund der möglicherweise auftretenden negativen Effekte als schädlich für den Schutz der Art Wolf angesehen. In der Empfehlung Nr. 173 (2014) der Berner Konvention werden die Unterzeichner der Berner Konvention, zu denen auch Deutschland gehört, daher aufgefordert, die staatlich kontrollierte Entfernung von nachgewiesenen Wolf-Hund-Hybriden aus wilden Wolfspopulationen sicher zu stellen.

Erfahrungen in Deutschland

Die Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland zeigt einen deutlich positiven Trend. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass der Bestand in Einzelfällen durch das Auftreten von Hybridsierungen mit Haushunden beeinträchtigt werden kann. Bereits im Jahr 2003 gab es in Deutschland den ersten und bis 2017 zunächst einzigen nachgewiesenen Fall einer Verpaarung einer Wolfsfähe mit einem Haushundrüden bei Neustadt/Spree im Nordosten von Sachsen. Im Herbst 2003 wurden dort sechs Welpen nachgewiesen, die sich phänotypisch von Wölfen unterschieden.

Im Januar 2004 waren nur noch vier der Hybridwelpen am Leben. Es gelang, im Rahmen des Sächsischen Wolfsmanagements die Wölfin und einen der Hybriden bei einer Lappjagd zu fangen. Die Wölfin wurde besendert und wieder freigelassen. Der Welpe, ein Rüde, kam in ein Gehege im Nationalpark Bayerischer Wald. Zwei Wochen später konnte ein weiterer Welpe, ein kleines Weibchen, mit einer Fußschlinge gefangen werden. Auch dieses Tier wurde in das Gehege verbracht. Die beiden übrigen Welpen verschwanden im Februar 2004 plötzlich und spurlos.

Die Hybriden unterschieden sich sowohl in morphologischen und physiologischen Merkmalen als auch im Verhalten deutlich von Wölfen. Sie waren erheblich kleiner und leichter und hatten wesentlich kürzere Fangzähne. Die Rüden wurden bereits mit acht Monaten geschlechtsreif (Wölfe erreichen die Geschlechtsreife meist erst mit ca. 22 Monaten). Der Hybridstatus der Tiere wurde auch genetisch bestätigt.

Von Anfang an zeigten die eingefangenen Hybriden Zeichen von Hospitalismus und liefen auf immer gleichen Wegen durch das Gehege. Näherten sich Menschen, liefen sie ihre Kreise und Achten noch schneller. Das Gehege war nicht für Besucher zugänglich. Gegenüber den wenigen Menschen, die sie versorgten, zeigten die Hybriden auch nach Monaten keine Anzeichen von Gewöhnung. Für die in freier Natur aufgewachsenen und im Alter von neun Monaten in ein Gehege verbrachten Tiere bedeutete die Gefangenschaft augenscheinlich Dauerstress. Beide Tiere wurden nach weniger als einem Jahr von den im Nachbargehege gehaltenen Wölfen durch den Zaun hindurch so stark verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten.

Im Oktober 2017 wurde ein weiterer Fall einer solchen Verpaarung zwischen einer Wölfin und einem Haushund bekannt. Im Bereich des Standortübungsplatzes Gotha-Ohrdruf in Thüringen, hatte sich die dort seit Mai 2014 ansässige territoriale Wölfin im Frühjahr 2017 in Ermangelung eines Wolfsrüden mit einem Haushund gepaart und Hybridwelpen zur Welt gebracht. Bekannt wurde dies allerdings erst Anfang Oktober 2017, als 6 Hybridwelpen auf dem Standortübungsplatz fotografiert werden konnten. Da die Tiere schwarz-grau gefärbt waren und sich damit phänotypisch sehr eindeutig von europäischen Wölfen unterschieden, konnte zunächst allein anhand des Aussehens der Hybridstatus bestätigt werden. Die genetische Bestätigung durch das Senckenberg Forschungsinstitut, Außenstelle Gelnhausen, erfolgte etwas später, da zunächst noch keine Genproben der Welpen vorhanden waren. Bis in den Herbst hinein lagen nur Proben von Nutztierrissen vor, die genetisch der Mutterwölfin zugeordnet werden konnten und an denen die Welpen nicht beteiligt waren.

Der Thüringer Wolfmanagementplan sieht für solche Fälle vor, die Hybriden aus der Natur zu entnehmen. Entsprechend entschied das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz Anfang November 2017, dass versucht werden soll, die Tiere bis Anfang Februar 2018 aus der Natur zu entnehmen. Eine schnelle Entnahme ist wichtig, da es sehr gut möglich ist, dass die Hybriden bereits im ersten Lebensjahr geschlechtsreif werden. Zunächst wurde intensiv versucht, die Tiere lebend zu fangen. Ab Januar 2018 wurde parallel auch die letale Entnahme vorangetrieben. Ende März 2018 meldete das TMUEN, dass drei der vier im Laufe des Winters noch im Gebiet nachgewiesenen Hybriden getötet worden waren (zwei Rüden, eine Fähe). Der vierte Hybride, ein männliches Tier, befand sich dagegen noch bis April 2019 im Gebiet seiner Mutter, dann wurde auch er getötet. Kurze Zeit später gab es erste Nachweise eines zugewanderten  Wolfsrüden im Gebiet. Allerdings stellte sich im Sommer 2019 heraus, dass sich die Wölfin kurz vor der Ankunft des neuen Rüden im März 2019 mit ihrem knapp zwei Jahre alten Sohn verpaart und erneut einen Wurf Hybridwelpen zur Welt gebracht hatte. In diesem Fall handelte es sich um Hybriden der 1. Rückkreuzungsgeneration. Auch für diese Welpen wurde eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Entnahme aus der Natur erteilt. Nachdem es trotz intensiver Bemühungen nicht gelang, sie lebend zu fangen, wurde die Strategie geändert und im Februar 2020 drei Welpen letal entnommen. Im Mai 2020 befand sich noch ein Hybridwelpe im Gebiet. Seit Zuwanderung des Wolfsrüden ist die Wölfin mit ihm verpaart und hat in 2020 zum ersten Mal Wolfswelpen aufgezogen. 

Im Sommer 2022 wurde in Thüringen im Territorium Zella-Rhön, unweit der Grenze zu Bayern und Hessen gelegen, ein weiterer Fall von Hybridisierung zwischen einer Wölfin und einem Haushund bestätigt. Es wurden fünf Welpen nachgewiesen, von denen drei bis Ende 2022 letal entnommen wurden.

Auch in Brandenburg wurde im Sommer 2022 ein Fall von Hybridisierung bestätigt. Im Territorium Rautenkranz nahe der polnischen Grenze hatte sich in der Ranzzeit 2022 ein Rüde unbekannter Herkunft, für den anhand von genetischen Untersuchungen mittels SNP-Analyse nach Harmoinen et al. (2021) ein signifikanter Hybridisierungsgrad (annäherungsweise entsprechend der F2-Generation) ermittelt wurde, mit einer Wölfin gepaart. Vier Welpen können dem Paar zugeordnet werden, von denen eine Welpenfähe im Oktober 2022 bei einem Verkehrsunfall starb. Der Hybridisierungsgrad der Welpen entspricht gemäß SNP-Analyse der 2. Rückkreuzungsgeneration zum Wolf. Für den Rüden und die Welpen wurde vom Landesamt für Umweltschutz Brandenburg eine naturschutzfachliche Ausnahmegenehmigung zur Entnahme erteilt.