Bundesweite Schadensstatistik

Mit der Ausbreitung des Wolfsbestandes nehmen auch die wolfsverursachten Schäden zu. Die meisten Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere gibt es vor allem dort, wo Wölfe sich in neuen Territorien etablieren und die Schaf- und Ziegenhalter sich noch nicht auf deren Anwesenheit eingestellt haben. Meist gehen die Schäden in diesen Gebieten nach ein, zwei Jahren zurück, wenn die Tierhalter gelernt haben, mit der Anwesenheit von Wölfen umzugehen.

Obwohl die Schäden insgesamt mit dem Anwachsen des Wolfsbestandes zunehmen, lassen sich daraus keine Vorhersagen über die Höhe der Schäden bei einer bestimmten Bestandsgröße ableiten. Dafür ist die Varianz zu groß. Durch Herdenschutzmaßnahmen können Schäden auch in Gebieten mit vielen Wolfsterritorien begrenzt werden. Andererseits kann auch ein einzelner oder ein durchwandernder Wolf erhebliche Schäden verursachen, wenn er auf ungeschützte Schafe oder Ziegen trifft.

Auch Wölfe, die an nicht ausreichend geschützten Schafen gelernt haben, dass diese eine einfache Beute sind, können die Schäden in die Höhe treiben. Solche Tiere suchen nicht selten gezielt nach Schafen und haben gelernt, Schwachstellen von Schutzmaßnahmen auszunutzen. Diese Wölfe lernen teilweise auch, die Schutzmaßnahmen zu überwinden, die in vielen Bundesländern als Mindeststandard vorgeschrieben sind, der eingehalten werden muss, um im Schadensfall Ausgleichszahlungen zu erhalten. Dieser Mindestschutzstandard (z.B: ein 90 cm hoher Elektrozaun) ist als ein Kompromiss zwischen der Schutzwirkung gegenüber Wölfen einerseits und der bisherigen Praxis der Tierhaltung  - die nicht an der Anwesenheit von Wölfen orientiert war - andererseits zu verstehen. Die Anforderungen an den Mindeststandard sind daher i.d.R. geringer als an Schutzmaßnahmen, die für eine sichere Weidetierhaltung empfohlen werden (z.B. ein 120 cm hoher elektrischer Drahtzaun aus 5 Litzen in 20, 40, 60, 90 und 120 cm Höhe).

Schafe und Ziegen werden europaweit deutlich häufiger von Wölfen getötet als größere Nutztiere (Kaczensky 1996, 1999). Dies zeigen auch die Schadenszahlen in Deutschland. Da bei vielen Rassen das Fluchtverhalten durch die Domestikation abgemildert wurde, kommt es bei Übergriffen auf Schaf- und Ziegenherden häufig zu Mehrfachtötungen. In Deutschland wurden 2023 pro Wolfsübergriff durchschnittlich 4,5 Tiere getötet.

Rinder und Pferde sind von Natur aus recht wehrhaft und haben oft noch ein ausgeprägtes Herdenverhalten. Die Verluste an Rindern und Pferden durch Wölfe sind in Europa deutlich geringer als an kleineren Nutztieren (Kaczensky 1996, 1999). Sie kommen vor allem dort gehäuft vor, wo wilde Huftiere und Schafe selten sind. Wenn Wölfe große Nutztiere töten, handelt es sich meist um Jungtiere oder um einzeln gehaltene Rinder oder Pferde. Einzelne Wölfe können jedoch auch lernen ausgewachsene Rinder und Pferde zu töten. Bei den von Wölfen 2023 getöteten oder verletzten Nutztieren in Deutschland handelte es sich zu 89,6% um Schafe oder Ziegen, 4,1% um Gatterwild und in 5.5% um Rinder (meist Kälber).

 

 

Petra Kaczensky (1996): Large carnivore-livestock conflicts in Europe. unpublished report to Wildbiologische Gesellschaft München. e.V., Linderhof, Germany

Petra Kaczensky (1999): Large carnivore depredation on livestock in Europe. Ursus 11: 59-72